Remote Viewing und die Protokolle
Die reine Definition sagt, Remote Viewing ist die Fähigkeit zur Erlangung von Informationen über Dinge (Orte, Personen, Ereignisse), die den normalen Sinnen nicht zugänglich sind, zum Beispiel wenn wir räumlich, zeitlich oder durch Abschirmung davon getrennt sind. Diese Definition sagt erstmal nur etwas über die Fähigkeit des menschlichen Verstandes aus, nicht über die Mittel, die dafür angewendet werden.
Der Begriff „Remote Viewing“ wurde von Ingo Swann 1971 geprägt [1] und später von ihm und den Forschern am SRI verwendet, um damit eine Technik des „kontrollierten Hellsehens“ von den traditionellen Formen der Außersinnlichen Wahrnehmung (Abk. ASW, engl. ESP = Extra-Sensory Perception) abzugrenzen.
Abb. 1: Ingo Swann: The Real Story of Remote Viewing“, Kap. 16, S. 124
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Eines der wesentlichsten Merkmale von Remote Viewing gegenüber sonstigen Techniken ist die Entwicklung einer Selbstkontrolle des „mentalen Rauschens“. Bei der (sogenannten) traditionellen ASW war eines der größten Probleme immer die Vermischung von „echten“ medialen Signalen und darüber hinweg projizierten Eindrücken des eigenen Verstandes, der dazu neigt, unvollständige Signale nach eigenen Erfahrungen oder Vorstellungen zu vervollständigen. Ein evolutionär absolut sinnvolles Programm zum Überleben, jedoch hindert es den Wahrnehmenden aktiv daran, einfach nur unbewertete und neutrale Datenfragmente wiederzugeben. Die genaue Entstehung dieses „mentalen Rauschens“ – die Remote Viewer bezeichnen das als „analytisches Overlay“ oder AOL – und daraus aufbauend die Entwicklung von Strategien zur Vermeidung, war das Forschungsthema der Entwickler der heutigen Remote-Viewing-Methoden.
Es wurden in den 1980er Jahren zwei erfolgreiche Arten von Remote Viewing entwickelt und später in der Militäreinheit in Ft. Meade praktiziert, die beide das AOL-Problem auf unterschiedliche Weise behandeln.
Die erste davon, ERV oder „Extended Remote Viewing“, basierte auf traditionellen Entspannungs- und Meditationstechniken, deren Ziel es war, das Bewusstsein fast bis an den Rand des Schlafes zu unterdrücken und dadurch eine tiefere Verbindung mit dem medialen „Signal“ zu fördern und so das mentale „Rauschen“ zu minimieren. ERV ist verwandt mit GRV (Generic Remote Viewing), der Arbeitsweise der ersten Remote Viewer bei den wissenschaftlichen Untersuchungsreihen zu ESP am Stanford Research Institute. [2]
Weil der Viewer sich bei dieser Technik in einem tieferen Entspannungszustand (Theta-Zustand) befindet, wurde ein Interviewer, der später sogenannte Monitor, eingesetzt, der die Sitzung leitete und die Informationen erfragte. Skizzen fertigte der Viewer im Anschluss an. Die Sitzungen wurden meist als Audio aufgezeichnet und später transkribiert. [3]
Die zweite Technik wurde ebenfalls an der renommierten kalifornischen Denkfabrik SRI-International entwickelt, federführend von Ingo Swann in Zusammenarbeit mit Harold E. Puthoff und Russell Targ als Forschungsleiter. Diese Methode wurde als Coordinate Remote Viewing (CRV) bekannt. Bei CRV bleibt der Viewer bei annähernd vollem Bewusstsein im Alpha-Gehirnwellenzustand, sitzt aufrecht an einem Tisch und greift auf das „mediale Signal“ durch eine Reihe von strengen Protokollen zu, in denen Techniken verankert sind, um das mentale Rauschen zu entfernen. Der Viewer notiert während der Sitzung die empfangenen Daten fortlaufend auf Papier. Bei CRV kann mit und ohne Monitor gearbeitet werden, da die Protokollstruktur selbst alle wichtigen Funktionen übernimmt.
[2] Die Bezeichnung GRV wurde von Paul H. Smith im Nachhinein geprägt für die RV-Techniken vor der militärischen Anwendung.
[3] Wie Bill Ray im Interview mit PSI unit erzählt, waren stellenweise zwei Sekretärinnen gleichzeitig mit der nicht gerade leichten Aufgabe beschäftigt, die im tiefen Entspannungszustand genuschelten Sätze zu transkribieren.
„Obwohl mit ERV beeindruckende Ergebnisse erzielt wurden, produzierte CRV konsistentere und vorhersehbarere Qualitätsinformationen und wurde so zur vorherrschenden Technik, die in Ft. Meade während der wichtigsten Jahre des Programms eingesetzt wurde.“ [4]
Das CRV-Verfahren „Controlled Remote Viewing“ hieß ursprünglich „Coordinate Remote Viewing“, benannt nach der Adressierung des Ziels durch eine numerische Koordinate. Dies waren zuerst Geokoordinaten, später dann virtuelle Zahlenkombinationen, und so wird es bis heute angewendet. Diese Entwicklung erlaubte es, zu garantieren, dass der Viewer dem Ziel gegenüber völlig verblindet ist. Die Arbeit mit Blind- oder Double-Blind-Sessions erlaubte eine wissenschaftlich nachvollziehbare Evaluierung der Daten und war darüber hinaus eine zusätzliche Absicherung gegen ungewollte AOL und Vorannahmen beim Viewer.
In der heutigen zivilen Anwendung von Remote Viewing haben sich diese beiden letztgenannten „technischen Ergänzungen“ (also die Arbeit mit einer Zahlenkoordinate und Verblindung des Viewers) rückwirkend zur heute gebräuchlichen Definition von Remote Viewing entwickelt – was zwar auch nicht falsch ist, aber den Kern der Sache nicht richtig trifft. Eine gute Formulierung trifft John Herlosky:
„Psi, mediales Funktionieren, Hellsehen und ESP sind natürliche psychische Fähigkeiten. Sie werden mit so viel geboren, wie Sie bekommen werden.
Remote Viewing ist ein Protokoll und eine Methodik. Es kann kein mediales Funktionieren bewirken, wenn Sie nicht bereits über Ihre angeborenen übersinnlichen Fähigkeiten verfügen. Remote Viewing ist eine völlig künstliche Schöpfung des Menschen, eine Methodik. Sie muss erlernt werden. Wenn Sie die übersinnlichen Fähigkeiten eines Hammers haben, wird es keine Rolle spielen, wie viel oder wie gut Sie das oben genannte lernen, es wird Sie nicht übersinnlich machen, und es wird Sie auch nicht zu einem Remote Viewer machen, da ohne die Fähigkeit die Methodik und die Protokolle nichts bedeuten. Und das ist es, was Remote Viewing ausmacht.“ [5]
[5] Zitat von John Herlosky, Remote Viewing: definition, protocol, and corollaries
In der praktischen Anwendung von Remote Viewing als Werkzeug zur Informationsbeschaffung ist die Frage nach der Verlässlichkeit der Informationen wichtig. Die Ergebnisse einer Session sind nie 100 % korrekt, also auf welche Informationen kann man sich verlassen? Bei realen Anwendungen handelt es sich schließlich um offene Fragen, zu deren Klärung niemand ein Foto aus einem geschlossenen Umschlag ziehen kann.
In den Zeiten des Star-Gate-Programms standen die Informationen der Viewer nie allein, sondern wurden durch andere nachrichtendienstliche Informationskanäle ergänzt und mit diesen abgeglichen.
In der heutligen zivilen Anwendung stellt sich das Problem anders, denn zum Abgleich der offenen Fragen sind in den meisten Fällen nur weitere RV-Sessions möglich. Zunächst einmal ist einleuchtend: Was mehrere Viewer (blind) an übereinstimmenden Informationen bringen, das ist höchstwahrscheinlich richtig.
Eine kleine, aber beachtenswerte Fußnote zu dieser Logik sind die noch offenen Fragen zur Theorie des „Telepathic Overlay“, wie es von Ingo Swann in einem Essay vom 4.2.1996 beschrieben wird. [6] Viele Remote Viewer haben dazu schon ihre Erfahrungen und Ansichten dargelegt, aber wissenschaftliche Belege hat es unseres Wissens hierzu noch nicht gegeben. Manche behaupten, dass es das Phänomen nicht gäbe, andere ordnen der Theorie durchaus praktische Erfahrungen zu. Paul H. Smith meint hierzu, dass Telepathic Overlay am ehesten ein Thema des Taskers sein könnte, speziell wenn es um nicht-existente oder sehr emotional aufgeladene Targets geht, wie z.b. im esoterischen Bereich. So könnten die persönlichen Vorannahmen des Taskers vom Viewer aufgegriffen werden, wenn dieser kein geeignetes Signal vom eigentlichen Target zu fassen bekommt.
Am PSI.vision Institut läuft gerade im Moment eine kleine Versuchsreihe zu diesem Thema, vielleicht gelingt es uns damit, ein wenig zur Auflösung der offenen Fragen beizutragen.
[7] PDF-Download: Auszug aus dem Buch von PSI.vision Institute mit der deutschen Übersetzung des Artikels von Ingo Swann „Telepathic Overlay“